Geschichte, Mühlen...

«Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen».

Texte von Dr. Emil Stauber, Zürich, Band 1

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Stich von 1642, Matthäus Merian

Gelände-Aufbau

Das Gelände, auf dem das Dorf Andelfingen erbaut ist, verdankt seine Entstehung dem Mühlebach, der als starker Quellbach im Ursprung, etwa 900 Meter südlich von Andelfingen, den Moränen der letzten Eiszeit entströmt. Die drei Terrassen bildeten sich im Laufe von Jahrtausenden aus den Ablagerungen von Geschiebe und Tuff durch den wasserreichen Bach. An seiner Mündung entstand deshalb eine Art Schuttkegel, dessen Hauptmasse aus einem durch die kalkhaltigen Quellen abgelagerten Kalktuff besteht, der bis 15 Meter Mächtigkeit aufweist.
Dieser erscheint an denjenigen Stellen dichter und fester, wo er eine längere Zeit wirken konnte. Da nun die festen Tuffsteinlager im nordöstlichen Teil des Dorfes vorkommen, ist anzunehmen, dass das Wasser ursprünglich auf dieser Seite seinen Abfluss gehabt habe.

Die Form des Schuttkegels liefert zugleich die Erklärung für das Dasein der Tobel beim jetzigen Wildbach und beim Schloss. Die Schlossterrasse war der anfänglich am weitesten vorgeschobene Ablagerungsplatz der Talmündung, zu dessen beiden Seiten das Gelände seine ursprüngliche Tiefe beibehielt; diese Vertiefungen stellen sich dem Beschauer scheinbar als ausgewaschene Tobel dar.

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Gygerkarte von 1642

Durch die starken Ablagerungen in der Talmitte verminderte sich das Gefälle so sehr, dass der Bach sich in westlicher Richtung wandte und allmählich die Schuttzunge bildete, auf der die Schlossgasse und die Strehlgasse angelegt sind. Es entstand auch die nach Westen umgebogene Terrasse, auf der jetzt die Kirche steht, wo die Tuffschicht etwas 15 Meter mächtig ist; die Keller an der Schlossgasse sind in den Tuff eingeschnitten.

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Fischenzen

Die Fischenzen des Mülibachs

Im Gebiet der alten Kirchgemeinde Andelfingen wurde die Fischerei in der Thur in vier getrennten Fischenzen betrieben. Der Mühlibach war und ist eine weitere Fischenz. Fischenz kommt von mittelhochdeutsch vischenz(e), lateinisch piscatio, und bedeutet «gepachtetes Fischrecht» oder «Ort, wo gefischt wird». Dieses Recht stammt aus dem Mittelalter und hat sich aus dem Feudalwesen entwickelt. Diese alten Fischrechte sind zum Teil heute noch gültig. Im Falle des Mülibachs ist die Fischenz an die ehemals sechs aktiven Mühlen ehehaft gebunden. Die Eigentümer der entsprechenden Liegenschaften sind gehalten, aktiv in der Fischenz Mülibach Andelfingen mitzuwirken.
(Text: Conrad Schneider, Foto: Marcus Schmid, Andelfingen)

Die Mühlen

Für die Dörfer der Pfarrei Andelfingen bildete der Flecken Andelfingen früh schon auch den Sammelpunkt für die Verarbeitung des Getreides zu Mehl. Das ums Jahr 1306 entstandene Habsburger Urbar verzeichnet bereits drei Mühlen als herrschaftliche Lehen: Die auch in der Öffnung erwähnte Lindenmühle, die Obermühle und die Freimühle, später Haldenmühle genannt. Im Jahre 1450 waren vier Mühlen in Tätigkeit, neben den drei alten noch die Steinmühle, 1555 auch die Untermühle und 1849 kam noch die Neumühle hinzu, so dass von da an in Andelfingen sechs Mühlen betrieben wurden, von denen freilich einige Jahrzehnte später vier den Betrieb einstellten.

Heute sind noch die Obermühle ( 2021 mit Stromproduktion ) und die Haldenmühle in Tätigkeit, die sich also bereits auf mehr als sechs Jahrhunderte erstreckt. Allen sechs Mühlen verlieh der stets wasserreiche Mühlebach das erforderliche Lebenselement, das weder in kalten noch in trockenen Zeiten versiegt. Ein Chronist berichtet, dass man im kalten Winter 1514, da der Zürichsee und der Rhein bei Schaffhausen zugefroren waren, und die Müller von Winterthur etwa zwei Wochen lang nicht mehr mahlen konnten, von Schaffhausen und andern Orten nach Andelfingen zur Mühle fuhren.

Die Mühlen Andelfingens: Übersicht und Mühlebach

Von Carl Brentano, Kleinandelfingen

Die Geschichte der Obermühle

Wie die Linden- und die Freimühle war auch die Obermühle ums Jahr 1306 noch unverliehener Besitz der Herrschaft Österreich und früher kiburgisches Gut. Schon 1323 verpfändete Herzog Leopold I die Obermühle mit dem obern Kehlhof und andern Gütern; das Pfand wurde aber nicht mehr eingelöst; die Mühle erscheint nie als Lehen der Herrschaft; sie wurde Eigengut des Besitzers, während die beiden andern Mühlen Lehen blieben.

Die Obermühle wird um 1306 zusammen mit der Linden- und der Haldenmühle erstmals erwähnt. Von 1555 bis 1820 war sie im Besitz der Müllerdynastien Arbenz und Breiter. Das Gebäude mit dem markanten Treppengiebel dürfte auf das 16./17. Jahrhundert zurückgehen. Das heutige Erscheinungsbild eines ländlichen Herrschaftssitzes erhielt die Mühle von 1820 bis 1832. Bauherr war Gemeindepräsident und Kantonsrat Hans Jakob Hanhart, der einer reichen Familie in Diessenhofen entstammte. 1929 erwarb Heinrich Oehninger aus Adlikon die Kundenmühle und baute sie zur Handelsmühle aus. Trotz Modernisierung im Jahre 1954 wurde der Betrieb 1972 eingestellt. Im ehemaligen Mühleraum befindet sich seither ein Gewerberaum, der anfangs 2020 erneut renoviert wurde.

Obermühle Andelfingen 1930

Neue und alte Turbine

Kleinkraftwerk

Nach jahrelangen. juristischen Kämpfen mit dem AWEL wurde der Mülibach 2018 in seinem ursprünglichen Verlauf wieder in Betrieb genommen. Seither malt er nicht mehr Korn, sondern treibt er die neue Turbine an und produziert Strom. Diese Erneuerungsarbeiten am Wasserlauf und der neu eingerichteten Turbine wurden durch die Wasserkraft Mülibach Andelfingen GmbH unter der Leitung von Peter Eichenberger und Jürg Beglinger ausgeführt.

>Schweizer Mühlentag 2023

> Artikel Kleinstwasserkraftwerk   > Vortrag von Peter Eichenberger 

Mühlebachsystem

Das im Kanton Zürich einzigartige Kulturgut Mülibach mit ehemals sechs aktiven Mühlen mit ihren Wasser- und Fischrechten soll auch in Zukunft als Ganzes und in allen Teilen erhalten bleiben.
Das intakte und funktionstüchtige Wasserbauwerk mit den sich daran befindlichen Mühlen ist ein kantonsweit einzigartiges und schweizweit seltenes System. Dies gilt auch deshalb, weil alle sechs dazugehörigen Mühlen als Bauwerke noch erhalten sind. Das Mülibach-System ist heute ein Zeuge der vorindustriellen Getreideverarbeitung und war in der Vergangenheit ein zentrales Element für die bauliche Entwicklung des Dorfes. Das Wasserbauwerk war neben der Brücke über die Thur der ausschlaggebende Faktor für eine wirtschaftliche Entwicklung, welche den Aufstieg des Dorfes zu einem regionalen, politischen Zentrum zu verantworten hatte. Der Mülibach ist heute neben der reformierten Kirche, dem Schloss und der gedeckten Brücke eines der prägendsten Elemente des Ortsbildes von Andelfingen.

Das Mülibachsystem in Andelfingen

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Kornsack «bös auf bös» (Lindenmühle Andelfingen)

Bös auf Bös

Bös hatte früher oft die Bedeutung von schlecht, mangelhaft, beschädigt, auch krank. Ein böses Bein ist z. B. ein krankes Bein. Eine böse Hose ist eine stark geflickte Hose; ein zweites oder weiteres Mal darüber geflickt war dann «bös auf bös». Bei Korn- und Mehlsäcken kam das sehr häufig vor und sie wurden unzählige Male wieder geflickt: eben «bös uf bös». Ein solches Exemplar ist z.B. in der Lindenmühle in Andelfingen zu besichtigen. (Text: Peter Bretscher)

 

Lindenmühle

Die Lindenmühle wird um 1306 erstmals urkundlich erwähnt. Von 1634 bis 1870 betrieb die Müllerdynastie Arbenz die Lindenmühle. 1885 erwarb Metzgermeister Sigg von Frau Baron Anna von Sulzer-Wart den Gewerbebau mit Wasserkraft. Diese trieb bis 1898 noch einen Mühlstein und bis ca. 1950 die Metzgereimaschinen an. 1972 wurde das Wasserrad entfernt und später zu Schauzwecken unter der tatkräftigen Leitung von Peter Bretscher rekonstruiert. Seit der Erneuerung 2018 unter Leitung von Peter Bretscher überträgt sich die Kraft wieder ins Innere der Mühle auf einen immer noch bestehenden Mahlgang.

> Weitere Bilder

Lindenmühle in Aktion

Das Mühlendorf Andelfingen im Archiv (HAA)

Helferfest-Reportage vom Mühlitag 2019
Film von Otto Haller (25 Min)

Das Heimatkundliche Archiv Andelfingen (HAA) sammelt ausschliesslich zweidimensionale Objekte das heisst Urkunden Dokumente Briefe schriftliche Zeugnisse aller Art Fotos Fotoalben Postkarten Bilder Zeichnungen Pläne Landkarten Bücher Flugblätter Plakate Drucksachen undsoweiter sowie Film- und Tonträger.

«Ohni Wasser kei Mühli»
Film von Otto Haller (51 Min)

Das Heimatkundliche Archiv ist eine gemeinschaftliche Institution der Gemeinden Andelfingen (mit Adlikon, Dätwil, Humlikon und Niederwil) und Kleinandelfingen (mit Alten und Oerlingen).
Es untersteht der Kulturkommission Andelfingen.
> Weitere Filme des HAA  > und auf Youtube